Seit mittlerweile fünf Jahren organisieren wir auf der Jahresversammlung der Gesellschaft für Ökologie Deutschland, Österreich und der Schweiz (GfÖ) eine Session zu Citizen Science in der Ökologie. In diesen Session wird jedes mal ein ausgewählter Schwerpunkt aus diesem Themenbereich präsentiert. In diesem Jahr war der Schwerpunkt auf Bedenken zu Datenqualität und Methoden und Lösungen um diesen Bedenken zu begegnen. Denn die Zuverlässigkeit und Qualität der Daten ist ein wichtiger Aspekt jedes wissenschaftlichen Projekts. Basierend auf den in einem Projekt gesammelten Daten erstellen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Modelle, Analysen und Interpretationen, die sowohl politische und gesellschaftliche Entscheidungen als auch den wissenschaftlichen Fortschritt beeinflussen können. Daher müssen von Anfang an gründliche Qualitätskontroll- und Managementsysteme vorhanden sein, um falsche Annahmen auf der Grundlage fehlerhafter Daten zu vermeiden. In Citizen Science Projekten, in denen Freiwillige an mindestens einem Schritt des wissenschaftlichen Prozesses beteiligt sind, sind solche Qualitätskontrollmechanismen äußerst wichtig, insbesondere wenn wir an Massenbeteiligungsprojekte denken, in denen Tausende von Teilnehmerinnen und Teilnehmer Daten sammeln. Daher wollten wir in dieser Session unter anderem folgende Fragen diskutieren: Wie können wir sicherstellen, dass Daten auf wissenschaftlich korrekte Weise erhoben werden? Welche Best-Practice Beispiele für das Datenqualitätsmanagement gibt es in ökologischen Citizen Science Projekten? Welche Voraussetzungen und Einschränkungen gibt es für die Datenqualität in Citizen Science Projekten?
Am 11. September zeigten schließlich fünf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihren Vorträgen Ansätze um die oben beschriebenen Fragen zu beantworten. So zeigte zum Beispiel Diane Bowler eine Modellierung von Libellenvorkommen in Deutschland, welche komplett auf Citizen Science Daten beruht. Diese Modellierung zeigte, unter Berücksichtigung verschiedener Aspekte wie die aufgewandte Zeit von Citizen Scientists, dass die Daten eine sehr robuste Aussage über die Populationstrends von 77 Libellenarten in Deutschland zulassen. Trotzdem wurde geschlussfolgert, dass eine standardisierte Datenerhebung besser wäre.
Ein weiterer Vortrag gab Einblick in die Datenerhebung zu Vogel-Zugstrecken mit Citizen Science in Ost-Asien basierend auf dem Projekt ebird. Dort wird die Vogelbeobachtung derzeit zum Trend, wobei Beobachter natürlich in dichter besiedelten Gebieten wie Peking weitaus häufiger sind, als am Land, was immer wieder zu einer Verzerrung der Datenlage führt. Wieland Heim zeigte jedoch, wie man durch einen Vergleich mit anderen Datensätzen dieser Verzerrung begegnen kann.
Moira McKee wählte einen komplett anderen Zugang zur Thematik der Session und zeigte, wie man bereits in der Ausbildung zukünftiger Ökologinnen und Ökologen ansetzen kann um diese nicht nur auf eine akademische Karriere vorzubereiten, sondern auch in Karrieren außerhalb der Universität wie Naturschutzvereinen oder ähnliches. Ein starker Fokus wurde hier auf angewandtes Lernen gelegt.
Wer kennt es nicht, man steht auf einer Wiese oder in einem Wald und würde gerne wissen, welche Pflanze vor einem wächst. Alice Deggelmann und ihr Team möchten dieser Wissenslücke mit einer App begegnen. Dazu sollen Millionen Fotos von Pflanzen und Pflanzenteilen gesammelt werden, um diese durch Expertinnen und Experten bestimmen zu lassen und damit Algorithmen beizubringen, diese Erkennung automatisch durchzuführen. So soll in Zukunft diese App anhand eines Fotos einer Pflanze sagen können, um welche Art es sich handelt. Der Aufruf zur Fotosammlung funktionierte so gut, dass die Gruppe bereits über 25.000 Einsendungen bekommen und bestimmt hat.
Vom 26.-28. Juni 2019 fand im wunderschönen Obergurgl die 5. Österreichische Citizen Science Konferenz in wildromantischer Alpenidylle statt. Auf fast 2000m Seehöhe versammelten sich ca. 150 Citizen Science Akteurinnen und Akteure hauptsächlich aus Österreich, Deutschland und der Schweiz um gemeinsam über Citizen Science und das Motto “Grenzen und Übergänge” zu diskutieren.
Das Citizen Science Network Austria bewies wieder einmal, dass es mehr ist als nur die Summe seiner Teile. Das Organisationskommittee bestand aus Vertretern der Universität Innsbruck, der Universität für Bodenkultur Wien, dem Zentrum für Citizen Science am OEAD, Schweiz forscht (CH), Bürger schaffen Wissen (D) und Partizipative Wissenschaftsakademie an der Universität Zürich und ETH Zürich. Dementsprechend vielfältig waren die Teilnehmerinnen und Teilnehmer und die wissenschaftlichen Beiträge. So kamen Vertreter von Universitäten, Fachhochschulen, Vereinen, Museen, Förderorganisationen und vielen mehr um sich disziplinenübergreifend auszutauschen.
Kaum ein anderer Ort ist für die Frage nach den Grenzen von Citizen Science so geeignet wie Obergurgl. Durch seine geografische Lage an politischen wie natürlichen Grenzen inspirierte der Ort dazu Citizen Science auszuloten. In und um Obergurgl ließen sich verschiedenste Grenzen und Übergänge finden und man konnte den Umgang mit diesen Schnittstellen eingehend kennenlernen. Viele Grenzen sind in Obergurgl präsent, wie die Schneegrenze, die Waldgrenze, eine Staatsgrenze oder auch die Baumgrenze. Diese Grenzräume konnten nicht nur als Begrenzung, sondern auch als Bereiche des Übergangs und des Austausches kennengelernt werden. In diesem Umfeld wurde nun diskutiert wie man die Grenzen und Übergänge in Citizen Science zu anderen Methoden und Disziplinen am besten gestaltet und möglicherweise auch die Grenzspannungen positiv für sich nutzen kann.
Viele verschiedene Aspekte und Blickwinkel wurden rund um das Konferenzmotto in angeregter und wertschätzender Weise diskutiert. Bei diesen Diskussionen war vor allem die Diversität der Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Konferenz sehr vorteilhaft, weil dadurch sehr oft neue Perspektiven ein bestimmtes Thema neu beleuchteten, und so neue kritische Fragestellungen ermöglichten. Vor allem die Figur des Wissenschaftlers Hans, welche durch die erste Keynote Susanne Hecker zum Beginn der Konferenz eingeführt wurde, wurde immer wieder diskutiert. Bei Hans handelt es sich um einen Wissenschaftler, der durch äußere Umstände auf das Thema Citizen Science gebracht wurde, dieses spannend fand und sich dachte: so schwer kann das ja nicht sein. Wo dann die Grenzen von Citizen Science sind, und welche Übergänge es zu anderen Bereichen wie z.B. Wissenschaftskommunikation, Bildung und Ermächtigung von Bürgerinnen und Bürgern gibt, war ein sich durch die Konferenz ziehendes Thema.
Generell war die Konferenz von vielen Highlights gekennzeichnet: So gab es den höchst gelegenen und zudem den ersten Citizen Science Slam, welchen zwei Maturanten aus Lienz mit einem Lied und einem Gedicht über ihre Vorwissenschaftliche Arbeit gewannen. Das Conference Dinner wurde mit einer unglaublichen Torte zum fünfjährigen Jubiläum der Konferenz versüßt und das Gruppenfoto wurde gleich zu einem ganzen Video durch eine Drohne ausgebaut. Ein Höhepunkt für viele war sicher auch die Speed-Postersession, welche in äußerst kurzer Zeit zu höchst anregenden und fruchtbaren Diskussionen geführt hat. Diese Session wurde von der Stiftung Blühendes Österreich unterstützt und trug so besonders zur hervorragenden Stimmung auf der Konferenz bei.
Am 12. April 2019 hatten wir das Vergnügen eine Session zu "Citizen Science and Open Science: bridging the science-society-gap by finding emerging environmental issues and empowering citizens" (Citizen Science und Open Science: Überbrückung der Kluft zwischen Wissenschaft und Gesellschaft durch die Suche nach sich abzeichnenden Umweltproblemen und die Stärkung der Bürger) auf der Jahresversammlung der EGU (European Geosciences Union) in Wien durchzuführen.
Übersetzung der EGU Website:
Die EGU, die Europäische Geowissenschaftsunion, ist Europas führende geowissenschaftliche Union, die sich dem Streben nach Exzellenz in den Erd-, Planeten- und Weltraumwissenschaften zum Wohle der Menschheit weltweit widmet. Sie wurde im September 2002 als Zusammenschluss der European Geophysical Society (EGS) und der European Union of Geosciences (EUG) mit Sitz in München gegründet.
Die EGU ist eine gemeinnützige internationale Vereinigung von Wissenschaftlern mit rund 17.000 Mitgliedern aus der ganzen Welt. Die Mitgliedschaft steht Einzelpersonen offen, die sich beruflich mit Geowissenschaften, Planeten- und Raumwissenschaften und verwandten Studien befassen oder damit in Verbindung stehen, einschließlich Studenten und älteren Menschen im Ruhestand.
Die jährliche Generalversammlung der EGU ist die größte und bedeutendste geowissenschaftliche Veranstaltung Europas und zog in den letzten Jahren über 14.000 Wissenschaftler aus der ganzen Welt an. Die Sitzungen des Treffens decken ein breites Themenspektrum ab, darunter Vulkanologie, Planetenerkundung, die innere Struktur und Atmosphäre der Erde, Klima sowie Energie und Ressourcen.
Rotfüchse (Vulpes vulpes L.) sind in den letzten Jahren zu erfolgreichen Bewohnern von Stadtgebieten geworden. Unser Wissen über das Vorkommen, die Verteilung und den Zusammenhang mit der Landnutzung dieser städtischen Füchse ist jedoch schlecht, zum Teil weil viele der bevorzugten Lebensräume auf Privatbesitz liegen und daher für Wissenschaftler kaum zugänglich sind. Wir gingen davon aus, dass Citizen Science es den Forschern ermöglichen könnte, diese Informationslücke zu schließen. Wir analysierten 1179 Fuchs-Sichtungen in der Stadt Wien, welche über Citizen Science Projekte gemeldet wurden, um die Beziehungen zwischen Füchsen und den umliegenden Landnutzungsklassen sowie soziodemografischen Parametern zu untersuchen.
In Gärten, Gebieten mit geringer Bebauungsdichte, Parks oder Plätzen waren die Wahrscheinlichkeiten für die Begegnung mit Füchsen wesentlich höher als in landwirtschaftlichen Gebieten, Industriegebieten oder Wäldern. Modellanalysen zeigten, dass soziodemographische Parameter wie Bildungsniveau, Bezirksfläche, Bevölkerungsdichte und durchschnittliches Haushaltseinkommen die Vorhersagbarkeit von Fuchssichtungen zusätzlich verbesserten.
Berichte über Fuchsbeobachtungen durch Citizen Scientists könnten dazu beitragen, die Etablierung von Wildtiermanagement in Städten zu unterstützen. Darüber hinaus könnten diese Daten verwendet werden, um Fragen der öffentlichen Gesundheit im Zusammenhang mit Rotfüchsen zu behandeln, da sie Zoonosen tragen können, die auch für den Menschen gefährlich sind.
Der Originalartikel ist unter diesem Link frei zugänglich: https://bmcecol.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12898-018-0207-7#Abs1
Wir freuen uns in diesem wunderschönen Herbst einen neuen Partner im Citizen Science Network Austria begrüßen zu dürfen. Die FH Campus Wien, welche nun die zweite Fachhochschule in unserem Netzwerk ist, ist die größte Fachhochschule Österreichs. Über 6000 Studierenden bietet die FH Campus Wien verschiedenste Studiengänge in den Bereichen Applied Life Sciences, Technik, Bauen und Gestalten, Public Sector, Gesundheitswissenschaften, Pflegewissenschaft und Soziales an.
Nach einem gemeinsam organisierten erfolgreichen Workshop zu "Wie kann ich Citizen Science in meine Forschung integrieren?" und der tollen Organisation der European Researcher's Night, freuen wir uns nun auf die weitere enge Zusammenarbeit im Bereich Citizen Science mit dieser vielfältigen Organisation.