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Österreich und die Wissenschaft: Eine komplizierte Beziehung

Österreich und die Wissenschaft: Eine komplizierte Beziehung pixabay Lizenz Pexels (https://pixabay.com/de/photos/menschen-technologie-leistung-musik-1836105/)

 Im September 2021 ist die neueste Ausgabe des Eurobarometers zum Thema Wissenschaft erschienen: "European citizens' knowledge and attitudes towards science and technology" war der Titel der umfangreichen Studie. Die Ergebnisse werden auf 322 Seiten präsentiert und sind ebenso interessant wie umfangreich. Ich habe in den Medien wenig darüber gelesen (was aber auch vielleicht nur daran liegt, dass ich es übersehen habe). Aber gut, speziell in Österreich war in den letzten Wochen ja einiges los. Da beschäftigt man sich lieber mit der Regierungskrise, dem Rücktritt des Bundeskanzler und den Anschuldigen die ihn und seine Parteifreunde betreffen. Oder mit den rasant steigenden Infektionszahlen der Pandemie. Die Statistiken zur Einstellung Österreichs bezüglich der Wissenschaft kann man da schon mal ignorieren. Vor allem dann, wenn sie nicht so enorm schmeichelhaft für das Land sind…

Und das sind sie definitiv nicht! Ich kann hier natürlich keinen vollständigen Überblick über die Ergebnisse der Studie bieten. Nicht einmal wenn ich nur die Ergebnisse berücksichtige, die Österreich betreffen. Aber ein paar Daten waren dann – im negativen Sinn – doch so überraschend, dass ich sie gerne öffentlich ein wenig genauer diskutiert gesehen hätte.

(Alle Bilder und Zitate im folgenden stammen aus dem Report des Eurobarometer(pdf))

Fangen wir damit an:

Bei der Frage, ob der Einfluss von Wissenschaft und Technik auf die Gesellschaft sehr positiv oder eher positiv ist, liegt Österreich an drittletzter Stelle von allen Ländern der EU. Man kann (und soll) die Wissenschaft natürlich immer auch kritisch betrachten. Aber Österreich hat sich hier jedenfalls deutlich als ein Land positioniert, das Wissenschaft besonders kritisch sieht.

Dazu passt auch dieses Ergebnis:

Nur in Kroatien hat man noch weniger Lust, etwas über die Wissenschaft zu lernen als in Österreich. Und zählt man diejenigen, die ganz direkt sagen, dass sie NICHT daran interessiert sind, etwas über Wissenschaft zu lernen, dann findet man nirgendwo mehr als in Österreich…

Und wen wundert da dann dieses Resultat:

53 Prozent der Menschen in Österreich denken, es ist nicht wichtig für das eigene Leben, über Wissenschaft Bescheid zu wissen. Nur in Bulgarien und Griechenland hält man Wissenschaft für noch unwichtiger und Österreich liegt damit immer noch 20 Prozent über dem EU-Schnitt.

In der Studie wurden auch einige Wissensfragen gestellt. Zum Beispiel, ob der Klimawandel natürliche oder menschliche Ursachen hat:

Hier liegt Österreich gar nicht mal so schlecht – zumindest dann, wenn man ein gutes Drittel die die falsche Antwort gegeben haben, als "nicht so schlecht" akzeptiert. Über dem EU-Schnitt liegen wir damit trotzdem; EU-Weit gesehen geben die Menschen deutlich öfter die richtige Antwort als in Österreich.

Sehr viel mehr Nachhilfe brauchen die Menschen hierzulande aber, was die Laserphysik angeht. Erstaunliche 42 Prozent denken, dass Laser durch gebündelte Schallwellen erzeugt werden. Nur in Polen gibt es mehr Menschen, die dieser falschen Vorstellung anhängen:

Aus aktueller pandemischer Sicht ist diese Frage interessant:

Immerhin: Bei der Frage, ob Viren von der Regierung erzeugt werden um unsere Freiheit zu kontrollieren, gibt man in Östereich deutlich öfter die richtige Antwort (Nein!) als im EU-Durchschnitt. Aber mehr als die Hälfte aller Menschen in Rumänien denkt, dass das genau so ist. Vielleicht ist das ein Grund, für die niedrige Impfrate dort?

Abgefragt wurde auch die Meinung der Menschen zu verschiedenen wissenschaftlichen Themengebieten. Und wenig überraschend ist daher dieses Ergebnis:

 Bei der Kampagne, die die mächtigen Boulevardmedien in den letzten Jahren und Jahrzehnten gegen alles gefahren sind, was auch annähernd wie "Gentechnik" klingt, ist es kein Wunder, dass die Menschen in Österreich am wenigsten davon überzeugt sind, dass diese Wissenschaft positive Auswirkungen haben kann.

Ein bisschen besser sieht es aus, wenn es um die Weltraumforschung geht:

Aber auch hier liegt man unter dem EU-Schnitt, was die Überzeugung angeht, Weltraumforschung könnte positive Folgen für die Gesellschaft haben.

Sehr interessant fand ich auch den Fragenkomplex, bei dem es um das Bild geht, dass die Menschen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern haben. Beschreibt der Begriff "intelligent" Menschen in der Forschung eher gut oder eher schlecht?

Wenig überraschend wird "intelligent" überall sehr stark mit den Wissenschaftler:innen assoziiert. Aber dass Österreich zu den Ländern gehört, in denen man das am wenigsten oft so sieht, ist interessant.

Tatsächlich nicht gerechnet habe ich mit diesem Ergebnis:

Alle Länder der EU halten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für kollaborativer als Österreich (das noch dazu das einzige Land ist, in der eine Minderheit diesen Begriff für passend hält). Ich habe keine Ahnung, wieso sich gerade hier das Bild des allein forschenden Menschen so in den Köpfen festgesetzt hat.

Auch ein wenig unterwartet ist das hier:

In Österreich und Deutschland halten weniger als 50 Prozent der Menschen "ehrlich" für ein passendes Wort um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu beschreiben (und nur noch Zypern und Bulgarien sind ähnlich skeptisch; im Rest der EU liegt die Zustimmung bei über 50 Prozent).

Ein klein wenig deprimierend ist dieses Ergebnis:

Österreich und Rumänien sind die Spitzenreiter bei der Zustimmung zur Aussage "Entscheidungen über die Wissenschaft sollten anhand dessen getroffen werden, was die Mehrheit der Menschen im Land denkt". Klar, auch die Wissenschaft muss innerhalb des demokratischen Rahmens eines Landes operieren und kann nicht einfach tun und lassen, was sie will! Aber die Forschung sollte trotzdem frei sein und bleiben und vor allem unabhängig von der momentanen Stimmungslage in einem Land.

Richtig weh tut mir allerdings dieses Resultat:

Dass es wichtig für die Zukunft ist, das Interesse von jungen Menschen an der Wissenschaft zu wecken, denken in der ganzen EU nur in Rumänien weniger Menschen als in Österreich. Und zählt man nur die Menschen, die dieser Aussage explizit nicht zustimmen, dann gibt es davon nirgendwo mehr als in Österreich (11 Prozent).

Ich könnte noch jede Menge mehr Daten und Diagramme präsentieren. Aber ich würde allen empfehlen, selbst man einen Blick auf die Daten zu werfen. Es gibt neben der kompletten Studie auch eine Zusammenfassung und die wichtigsten Daten, sortiert nach den einzelnen Ländern der EU.

Warum Österreich in so vielen Aspekten ein deutlich wissenschaftsfeindlichers bzw. wissenschaftsskeptischeres Weltbild hat als die anderen Länder der EU kann ich nicht beantworten. Aber ich kann zumindest auf eine Untersuchung der Uni Wien vom Juli 2021verweisen. Da kommt man zu dem Ergebnis:

"Insgesamt zeigt sich, dass es in Österreich ein Grundpotential für wissenschaftsbezogenen Populismus gibt: Kleine, aber nennenswerte Teile der Bevölkerung sympathisieren mit mehreren Kernaspekten dieser Populismusform. Vor allem das Vertrauen in den Hausverstand "einfacher Leute" ist in diesen Teilen relativ stark ausgeprägt, auch findet sich dort ein Misstrauen gegenüber wissenschaftlicher Expertise. Trotz dieser kritischen Perspektiven auf Wissenschaft fordert aber nur eine kleine Minderheit, sich aktiv in den Wissenschaftsbetrieb einbringen zu dürfen."

Jakob-Moritz Eberl, Esther Greussing, Robert A. Huber und Niels G. Mede

Viele scheinen die Wissenschaft hierzulande immer noch als "elitär" zu empfinden; als etwas, was die "einfachen Leute" nicht brauchen, nicht verstehen und auch nicht verstehen müssen. Als etwas, dem man eher kritisch gegenüber stehen muss; immerhin denken 28 Prozent, dass Wissenschaft und Politik unter einer Decke stecken (diese Zahlen stammen ebenfalls aus der Erhebung der Uni Wien). Und 27 Prozent denken, man solle sich mehr auf "den gesunden Menschenverstand" verlassen anstatt auf wissenschaftliche Forschung. Das sind jeweils mehr als ein Viertel der Bevölkerung, die solche Ansichten haben!

Vermutlich kann man dazu nicht viel mehr sagen als das, was ich sowieso immer sage. Es braucht mehr Wissenschaftskommunikation. Die Wissenschaft muss sich noch mehr anstrengen als bisher, um den Menschen zu vermitteln, was Forschung eigentlich tut und warum sie es tut. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler müssen noch mehr in die Öffentlichkeit als bisher; nur so lässt sich diesen Ansichten etwas entgegensetzen. Das ist mühsame Arbeit – aber notwendige Arbeit.

Citizen Interview mit Alina: Gregor Hastik von Sta...
Call for Abstracts: Citizen Science an der EGU2022

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Kommentare 2

Florian Heigl am Mittwoch, 01. Dezember 2021 15:12

Vielen Dank für diese Übersicht, die leider sehr betrüblich ist. Aber auch dafür gibt es unsere Plattform, um das Vertrauen in Wissenschaft zu stärken, indem man selbst mitmacht.

Vielen Dank für diese Übersicht, die leider sehr betrüblich ist. Aber auch dafür gibt es unsere Plattform, um das Vertrauen in Wissenschaft zu stärken, indem man selbst mitmacht.
Gäste - Franz Gehringer am Freitag, 04. November 2022 14:33

Ein wirklich überraschendes Ergebnis. Erschreckend, wie wenig die ÖsterreicherInnen von der "Wissenschaft" halten. Es stellt sich damit doch die Frage, woher dieses Nicht-Wissen oder Nicht-Annehmen kommt? Weil zu wenig in den Medien berichtet wird? Oder weil in konkreten Fällen, die auch für "Normalverbraucher" wichtig sind, (wie Covid), Widersprüchliches berichtet wurde/wird? Kann sein. Als positives Beispiel darf die Kenntnisnahme zur Klimakrise gesehen werden. Dies sicher, weil immer wieder auf die (bereits sichtbaren) Konsequenzen hingewiesen wird.

Ein wirklich überraschendes Ergebnis. Erschreckend, wie wenig die ÖsterreicherInnen von der "Wissenschaft" halten. Es stellt sich damit doch die Frage, woher dieses Nicht-Wissen oder Nicht-Annehmen kommt? Weil zu wenig in den Medien berichtet wird? Oder weil in konkreten Fällen, die auch für "Normalverbraucher" wichtig sind, (wie Covid), Widersprüchliches berichtet wurde/wird? Kann sein. Als positives Beispiel darf die Kenntnisnahme zur Klimakrise gesehen werden. Dies sicher, weil immer wieder auf die (bereits sichtbaren) Konsequenzen hingewiesen wird.
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