© Felix Deiters
Donnerstag, 24 März 2022

Erinnerung und Imaginäres

Demokratische Bürger*innenschaft

„Erinnerung und Imaginäres“ erforscht mit Schüler*innen in Österreich kritisch was es heißt, Bürger*in zu sein. Wer kann oder darf an politischer Gemeinschaft aktiv teilnehmen? Wer kann oder darf das nicht? Diesen Fragen widmen wir uns mit dem Ziel, gemeinsam Strategien zu finden, die den Zustand der Ausgrenzung verändern.

Ziel der Forschung ist es, erfahrbar zu machen, welche Rolle das Erinnern, Nacherzählen und Neuvorstellen von Vergangenheit und Zukunft für das Leben in einer politischen Gemeinschaft einnimmt. 

In jeder Gemeinschaft gibt es unterschiedliche Geschichten von Zugehörigkeit und Ausschluss. Der besondere Fokus wird auf migrantische, queere und jüdische Erinnerungen und Vorstellungen gelegt. Sie alle stellen auf ihre eigene Weise Geschichten der Ausgrenzung aus der österreichischen Gesellschaft dar.

Wir erforschen wie demokratische Bürger*innenschaft funktioniert, indem wir sie im kleinen Rahmen praktizieren: Schüler*innen, Künstler*innen und Forscher*innen kommen zusammen, um über migrantische, queere und jüdische Erinnerungen und Vorstellungen zu lernen, sich auszutauschen, zuzuhören. Eigene Erfahrungen der Ausgrenzung werden womöglich auch von den Citizen Scientists selbst mitgebracht und geteilt. 

Das Projekt setzt neue Impulse im Feld der Citizen Science, da es Citizen Science mit kunstbasierter Forschung verbindet. Erinnerungen und Vorstellungen sind kollektive und relationale Formen des Wissens, die erfahrungsbasiert, räumlich und zeitlich vielschichtig sind. Citizen Science und kunstbasierte Forschung sind innovative Wege, um Einblicke in solche Vorstellungen und ihr Potenzial für demokratische Bürger*innenschaft zu gewinnen.

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© Felix Deiters

Wie kann man mitforschen? 

Im Mitforschzeitraum von Mai bis Juni 2022 fanden insgesamt drei „Erinnerungs-Labs“ (Mai) und eine Generalversammlung (Juni) statt. Die Mitforschenden nahmen jeweils an einem der drei Labs statt, die inhaltlich gleich gestaltet waren. 

Die Zwischenergebnisse aller drei Labs, in Form von graphic recordings und stenografischen Protokollen, wurden Ende Juni in einer gemeinsamen Generalversammlung gemeinsam reflektiert und gesammelter Output verifiziert.

Die Labs führten auf künstlerische Weise durch die Vergangenheit und Gegenwart der drei ausgewählten Gemeinschaften und ermöglichten ein kollektives Nachdenken darüber, wie wir Situationen der Ausgrenzung teilen und wie wir sie uns vorstellen können, wenn wir sie selbst nicht erfahren haben oder wenn wir uns selbst nicht daran erinnern (etwa, weil wir zu jung sind). 

Gemeinsames Essen war genauso Bestandteil der kollektiven Erfahrung wie die gedankliche und körperlich-affektive Teilnahme an drei gruppendynamischen, künstlerisch angeleiteten Übungen.

In jedem Erinnerungs-Lab wurden künstlerische Inputs gegeben, an denen die Citizen Scientists auch eingeladen waren, aktiv teilzunehmen: 

  • Rap-poetry mit Esra Özmen aka EsRap zum Thema Migration
  • Gemeinschaft bilden durch Performatives Erzählen mit Künstlerin Ndidi Iroh,
  • Biografiearbeit: Mehrfachmarginalisierung aus jüdischer Perspektive

Zu jedem Erinnerungs-Lab wurde außerdem jeweils ein*e Expert*in eingeladen, um einen kurzen Input für die Diskussion zu geben. Sie kamen von wichtigen Organisationen der Zivilgesellschaft:

  • Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW),
  • Wiener Wiesenthal-Institut für Holocaust-Studien,
  • PH Oberösterreich.

Aktuell werden die Ergebnisse der Forschungsphase ausgewertet und in Form einer künstlerischen Buchpublikation 2023 veröffentlicht.

Was passiert mit den Beiträgen der Citizen Scientists?

Die Aktivitäten während der Labs werden visuell und textlich mittels graphic recording (Künstler Felix Deiters) und einem stenografischen Protokoll dokumentiert. 

Die grafischen und stenografischen Protokolle werden in die Buchpublikation „Erinnerung und Imaginäres: Demokratische Bürger:innenschaft“ aufgenommen. Das Buch wird in der letzten Projektphase produziert (Herbst 2022) und bei einer Abschlussveranstaltung im Jänner 2023 präsentiert. 

Kontakt und Forschungsteam der Akademie der bildenden Künste Wien

Univ.-Prof. Dr. Marina Gržinić: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! 

Dr. Sophie Uitz: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Dr. Jovita Pristovšek: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Publiziert in Projektarchiv
gemeinfrei
Mittwoch, 23 März 2022

Zeit.shift

Angebote über die Laufzeit von Zeit.shift hinaus aktiv

Mit Juni 2023 wurde das Projekt Zeit.shift abgeschlossen. Über die Projektlaufzeit hinaus sind die zentralen Web-Angebote weiterhin aktiv. Konkret können die Ergebnisse über Soziale Medien (Twitter @all4ling) und die Webseite verfolgt werden. Das Zeit.shift-Portal ist weltweit zugänglich und das bereitgestellte Textmaterial (mehrere Millionen Zeitungsseiten) durchsuchbar und downloadbar. Über die Plattform Historypin können Geodaten und inhaltliche Tags vergeben werden und das Online-Spiel Ötzit! ist weltweit frei verfügbar. Eine Auswertung der generierten Daten wie in der Projektbeschreibung formuliert, findet nach Projektende jedoch nicht mehr statt.

Worum geht’s im Projekt Zeit.shift? 

Ziel des Projekts Zeit.shift ist der Aufbau einer langfristigen, grenzübergreifenden Zusammenarbeit zur Bewahrung, Erschließung und Vermittlung des kulturellen Texterbes Tirols und Südtirols aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Prototypisch am Beispiel historischer Zeitungen sollen die Textbestände langfristig bewahrt und der breiten Öffentlichkeit in einem Webportal zugänglich gemacht werden. Dies bietet die Möglichkeit, mehr über das eigene Kulturerbe zu erfahren und historische Texte als Quelle für spannende Entdeckungen schätzen zu lernen. Ein wichtiger Fokus des Projekts liegt auf der aktiven Einbindung der Bevölkerung. Interessierte werden zur Mitarbeit eingeladen und können durch Online-Annotationen des Textmaterials einen Beitrag zur Texterschließung leisten. So sollen gemeinsam mit interessierten Bürger*innen relevante Schlüsselbegriffe und die korrekte Verortung der Textausschnitte hinzugefügt werden, um im Anschluss eine bessere Nutzbarkeit und Durchsuchbarkeit des historischen Textmaterials zu gewährleisten. 

Wie kann man teilnehmen?

Über die Plattform Historypin können sich Interessierte an der Texterschließung beteiligen, indem sie Werbeanzeigen historischer Tageszeitungen inhaltlich beschreiben und über Google Maps geolokalisieren, um so die Geschäftsstraßen vor 100 Jahren virtuell zu rekonstruieren. Auf diese Weise kann man etwa einen Einblick gewinnen, mit welchen Produkten gehandelt wurde und welche Veranstaltungen stattfanden. Man entdeckt Berufe und Handwerke, die heute teils nicht mehr existieren und hat die Möglichkeit, selbst Vergleiche zu ziehen, was sich an den genannten Orten heute befindet. Dies ist nur kleiner Auszug der Themenvielfalt, die die Anzeigenteile der Presse jener Zeit bieten – eine Entdeckungsreise in die Welt unserer Vorfahren. Die Teilnahme kann zeit- und ortsungebunden erfolgen, es genügt ein Internet-Zugang und ein Computer bzw. Smartphone. Bei Fragen helfen Tutorials, ebenso besteht die Möglichkeit, direkten Kontakt mit den Projekt-Mitarbeiter*innen von Zeit.shift aufzunehmen (Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!). Die Citizen-Science-Aktivitäten richten sich an alle Bürger*innen und kein spezielles Vorwissen ist nötig, um am Projekt teilzunehmen.

Ein weiterer Citizen-Science-Ansatz im Projekt Zeit.shift wurde vom Projektpartner Eurac Research mit der Gamification-Anwendung Ötzit! erarbeitet. Beim Online-Spiel Ötzit! geht es darum, Ötzi vor gefährlichen Tieren zu retten, indem heruntergefallende Wörter in Frakturschrift korrekt abgetippt werden. Ein Spiel gegen die Zeit! Ötzit! richtet sich in erster Linie an deutschsprachige Schüler*innen im Alter von 11-14 Jahren, ist aber für alle Interessierten offen zugänglich. Ziel des Spiels ist es, ein Bewusstsein für die digitalisierten Zeitungssammlungen zu schaffen und das Lesen historischer Dokumente in Frakturschrift zu üben. Alle von den Spieler*innen anonym zur Verfügung gestellten Daten (z.B. getippte Wörter) wurden analysiert und genutzt, um automatisierte OCR-Korrekturen per Crowdsourcing zu erforschen und die Durchsuchbarkeit der digitalisierten Sammlungen zu verbessern.

Warum ist es wichtig und was passiert mit den Ergebnissen? 

Der Gewinn für die Bürger*innen liegt darin, die Zeitungen als historische Quelle zu erleben und durch sie etwas über das eigene kulturelle Erbe zu lernen. Gemeinsam mit dem Projektteam entdecken sie verborgene Archivschätze, womit sie einen unschätzbaren Beitrag in der Erschließung leisten. Im Projekt Zeit.shift wurde ein Webportal zur Archivierung, Verwaltung, Recherche und Darstellung von digitalisierten historischen Tageszeitungen des Tiroler Raumes implementiert. Über Suchfilter, wie z. B. Orts- und Familiennamen, Zeitspanne, etc., können die Suchergebnisse zielgenau eingeschränkt werden und der Suchbegriff scheint im Volltext farblich markiert auf. Dabei dienen jene Daten, welche durch die Citizen-Science-Aktivitäten generiert wurden, als Unterstützung der computerlinguistischen Analyse (z. B. Korrektur von Erkennungsfehlern in digitalisierten Texten in Frakturschrift).

Fotogallerie

 

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Publiziert in Projektarchiv
(c) future.lab Research Center TU Wien, Tamara Bauer
Mittwoch, 19 Januar 2022

Werkstatt Neu Leopoldau

Das Projekt „Werkstatt Neu Leopoldau” begleitete die Besiedelung des IBA-Quartiers im 21. Wiener Gemeindebezirk als angewandte Forschung. Die Phase des Ankommens der Bewohner*innen und Nutzer*innen im Stadtteil soll als Potenzial für soziale Nachhaltigkeit im Wiener Wohnbau untersucht und mitgestaltet werden.

Mit Blick auf Bewährtes und Neuartiges sollen Prozesse der Besiedelung als Lern- und Bildungsprozesse und als sozial integrative Potenziale verstanden und gemeinschaftlich und ko-kreativ gestaltet und weiterentwickelt werden, um das Leben und Zusammenleben im Quartier weiterzudenken. Gemeinsam mit zentralen Stakeholdern sollen Strategien des Capacity Buildings erarbeitet werden. Zielgruppen sind damit neben den Bewohner*innen und weiteren Nutzer*innen der Wohnhausanlagen vor allem die Hausverwaltungen sowie Expert*innen und intermediäre Institutionen, die den Besiedelungsprozess professionell begleiten. Konzeptionell wird die Besiedelungsphase als experimentelles Lern- und potenzielles Bildungssetting mit spezifischen Rahmenbedingungen wie Wissensnetzwerken, Interessen und Interessenskoalitionen in den Blick genommen.

In einem ersten Schritt werden ausgehend von den Erfahrungen der beteiligten Akteur*innen und unter besonderer Berücksichtigung von bereits etablierten und noch möglichen sozialen Innovationen in der Stadtentwicklung in einem ko-kreativen Prozess relevante Themen und Fragestellungen erarbeitet (z.B. soziale Innovationen wie soziale Begleitung der Besiedelung, Gemeinschaftsräume und Teilen weiterer Ressourcen etc.). In einem Syntheseschritt erfolgt eine Auswahl und Fokussierung auf Themenschwerpunkte, die in weiterer Folge mit den Zielgruppen kollaborativ im Rahmen von Workshops vertiefend bearbeitet werden. Ziel des Innovationsvorhabens ist die Erarbeitung von Transformationswissen im räumlichen Kontext, um Lern- und Bildungsprozesse auf individueller und institutioneller Ebene zu erzeugen bzw. zu stärken.

Die angewandte Forschung ist im Zeitraum von November 2021 bis September 2022 mit Bewohnenden, Vermietenden, Hausverwaltungen und Expert*innen, die die Besiedelung begleiten, durchgeführt worden, sowie durch die IBA_Wien 2022 der Stadt Wien, MA 50, und einer Reihe weiterer Kooperationspartner*innen unterstützt worden.

Transdisziplinäres Forschungsteam

  • future.lab Research Center der TU Wien: Christian Peer (Projektleitung), Magdalena Augustin, Tamara Bauer, Ruth Höpler
  • Citizen Scientists: Bewohner*innen von Neu Leopoldau
  • Praxispartner*innen: GB*Stadtteilmanagement Neu Leopoldau, Hausverwaltungen und weiteren Expert*innen, die den Besiedelungsprozess professionell begleiten

Podcast "Wissen macht Leute"

Im September 2022 war Projektleiter Christian Peer im Österreich forscht Podcast Wissen macht Leute zu Gast - hier können Sie die Folge anhören. Außerdem war Maria Schönswetter, engagierte Citizen Scientist im Projekt, im März 2023 anlässlich des ersten Geburtstags des Podcasts ebenso in einer Sendung zu Gast und hat spannende Einblicke in die Projektmitarbeit gegeben - hören Sie rein

Ergebnisse

Der Ergebnisbericht kann direkt auf der IBA_Wien 2022 Website bzw. auf der future.lab-Seite heruntergeladen werden! Dort gibt es zum Herunterladen auch die Hands-on-Karte und das Poster zum Projekt.

Weitere Informationen zum Projektergebnis können in unserem Blogbeitrag nachgelesen werden!

 

 

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Publiziert in Projektarchiv
(C) Andre Wunstorf
Donnerstag, 02 Mai 2019

Categories to come

Worum geht es in dem Projekt konkret?

So Vieles dreht sich um das Eine – und doch fehlen uns manchmal die Worte. Wie sprechen wir mit wem über unsere Körper, unsere Vorlieben, Handlungen und Bedürfnisse, wenn es um Sex und sexuelle Befriedigung geht? Jede*r ist nicht nur dazu eingeladen, die eigene Sexualität in Worte zu fassen, sondern auch neue Worte und Fantasien zu schaffen. Ziel des Projektes ist es, eine Plattform und Ressourcen zu schaffen, die bisher unbenannte Themengebiete der Sexualität im interdisziplinären Kontext besprech- und erforschbar machen.  

Wie können die Bürger*innen mitforschen?

Bürger*innen gestalten aktiv das künftige sexualsprachliche Vokabular mit und geben der Forschung wichtige Impulse. Bürger*innen können eigene Begriffe & Beschreibungen für intime Handlungen & eigenes sexuelles Verlangen aufschreiben. Außerdem können sie Stellen aus Liedern, Büchern oder Filmen, die sexuell erregend sind, sammeln und benennen. Sie können Filme & Fotos und andere kulturelle Werke anschauen und be­schreiben, was dort zu sehen ist und diese verschlagworten. Sie können Bücher & Texte lesen und Stellen mit sexuellen Handlungen herausfiltern & sie verschlagworten

Was passiert mit den Ergebnissen?

Die Ergebnisse bilden eine Ressource, um bisher unbenannte Themengebiete der Sexualität abzubilden. Diese Datensammlung wird öffentlich bereitgestellt und kann für linguistische, sozial- und sexualwissenschaftliche, gender-, medien- oder literaturbezogene Forschungsfragen sowie zur Kunstproduktion herangezogen werden.

Wozu trägt die Forschung bei?

Categories to Come hilft dabei, eine neue Ressource für die Erforschung von Sexualität in verschiedenen Disziplinen aufzubauen. Dies basierend auf zwei Annahmen, nämlich dass 1) das bestehende sexualsprachliche Vokabular nur in Teilen erfasst ist und 2) durch die gesellschaftliche Visualität und der im Erfahrungsraum angesiedelten Sexualität (und somit häufig fehlenden Sprachlichkeit), viele Handlungen und Fantasien noch nicht dem Versuch unterzogen wurden, sie in Worte zu fassen. Künstlerische Forschung verbindet künstlerisches und wissenschaftliches Erkenntnisinteresse miteinander. Anders als bei rein wissenschaftlicher Forschung erlaubt es das künstlerische Element auch kreativ zu werden und neue Worte zu schöpfen. So trägt Categories to Come dazu bei, die Forschung in Bezug auf Sexualsprache und sexuelles Verlangen vielfältiger zu machen. An diesem Projekt wird deutlich, was der künstlerische Anteil in einem Forschungszusammenhang sein kann, wie er eine andere Art von Wissen produziert als rein wissenschaftliche Forschung und wie dies im interdisziplinären Kontext einen Beitrag liefern kann. Dadurch, dass die Ergebnisse öffentlich zugänglich sind, können Bürger*innen selbst die Datenbank nutzen und neue Arten und Begriffe finden, um über Sexualität zu sprechen. Hierdurch wird einer Tabuisierung entgegengewirkt und eine bewusste Auseinandersetzung mit der eigenen Sexualität befördert.

Bildergallerie

Publiziert in Projektarchiv
© Iris Ranzinger
Dienstag, 30 Oktober 2018

Stadt-Land-Kind

Eine intergenerative Ethnographie zu Sehnsuchtsbildern vom Land

Ausgehend von der europaweit einzigartigen Fotosammlung des Österreichischen Museums für Volkskunde untersuchte das Forschungsprojekt „Stadt-Land-Kind“ den Mythos vom besseren Leben auf dem Land aus einer intergenerativen Perspektive. Im Dialog mit Wissenschaftler*innen erforschten Kinder und Jugendliche gängige Land-Konstruktionen und entsprechende Bild- und Bedeutungsproduktionen im Austausch mit Eltern- und Großeltern-Generationen. Gefragt wurde nach den gesellschaftlichen Entwürfen und (Zukunfts-) Versprechen, die Bilder vom idyllischen Leben auf dem Land so tiefgreifend in sich tragen. Was sehen und erspüren wir, wenn wir diese häufig rückwärtsgewandten Bilder mit unserem Leben in der Gegenwart in Verbindung setzen?

Ziel war zum einen die Dekonstruktion gängiger Authentizitätsvorstellungen, wie sie sich Tourismus-, Produkt- und Politikinszenierungen mit Bildern vom Land heute zu Nutze machen. Zum anderen strebte das Projekt über die Frage, mit welchen Bildern wir unsere Geschichte vom Land „schreiben“, eine Aktualisierung von Landvorstellungen durch eine kritische Analyse historisch und kulturell konstruierter Sehnsuchtsmotive sowie durch das aktiv-reflexive Generieren neuer Landbilder an.

Über den Projektzeitraum von zwei Jahren wurde in intensiver Zusammenarbeit mit drei Partnerschulen aus drei ländlichen Regionen Österreichs – Waldviertel, Osttirol und Bregenzerwald – geforscht. Mit der Volksschule Rastenfeld (NÖ), der Neuen Mittelschule Kals am Großglockner (T) und der Werkraumschule Bregenzerwald (V) umfasste diese Konstellation zudem drei Altersstufen und drei verschiedene Schultypen. Insgesamt waren mit den Schüler*innen, ihren Familien und weiteren lokalen Teilnehmer*innen über 100 Citizen Scientists eingebunden, welche eine Differenzierung alters- und regionenspezifischer Sichtweisen ermöglichten. In der gemeinsamen Feldforschung und kollektiven Bildanalyse kam eine Kombination aus drei Formaten zur Anwendung: die eigens entwickelten Intergenerativen Bildgespräche und Fotoexpeditionen sowie die der Tradition der historisch-ethnografischen Feldforschung entlehnte Postkarte als Forschungsbericht. Während die Schüler*innen bei den Intergenerativen Bildgesprächen ihre persönlichen Erinnerungen, Erfahrungen sowie ihr Wissen und ihre Zukunftsvorstellungen zum ländlichen Leben über historische und aktuelle Landbilder mit ihren Eltern, Großeltern, Lehrpersonen und Nachbar*innen teilten, produzierten sie in den Fotoexpeditionen neue Bilder vom Land. Über diese persönliche Perspektive der Kinder und Jugendlichen auf ihre ländliche Umgebung wurden bewusst gängige Bildpolitiken zur visuellen Produktion ländlicher Idyllen konterkariert. Als Zeitdokumente fanden 108 Fotografien und 50 Postkarten Eingang in die Sammlung des Österreichischen Museums für Volkskunde.

Aus den vielfältigen Erkenntnissen und visuell-materiellen Produktionen ging als öffentliche Plattform die Forschungsausstellung Retropia. Sprechen über Sehnsuchtsbilder vom Land hervor. Die Ausstellung, die von April bis Juni 2019 im Österreichischen Museum für Volkskunde lief, führte unter Mitbeteiligung der Schüler*innen in die Forschungsarbeit ein und setzte durch das Top Citizen Science-Erweiterungsprojekt „Stadt-Land-Bild. Eine soziale Bildanalyse zeitgenössischer Sehnsuchtserscheinungen“ das Forschen mit Besucher*innen im Ausstellungsraum fort.

Die Ausstellung veranschaulichte als Kernerkenntnis die neue Sehnsucht nach dem Land als ein höchst relationales Phänomen. Vorstellungen von einem guten Leben auf dem Land hängen nicht unbedingt mit bestimmten geographischen Regionen, Orten oder Plätzen zusammen. Vielmehr sind diese durch biographische Erfahrungen und aktuelle Lebenssituationen geprägt, welche beim Sprechen über die Bilder auf eine multi-sensorische und multi-perspektivische Art und Weise evoziert wurden. Dabei präsentierte sich die Sehnsucht nach dem Land vor allem in Form von Alternativkonstruktionen zum jeweiligen Alltag und zur Gegenwart. Im Generationenvergleich zeigte sich etwa bei Menschen aus der Elterngeneration ein verstärktes Bedürfnis nach Ruhe und Entschleunigung, das insbesondere als Versprechungen des einfachen Landlebens früherer Zeiten wirksam wird. Die Erinnerungen an sinnlich-körperliche Erfahrungen, etwa durch Handwerken oder Wandern, stellten hingegen für alle Generationen wichtige Bezugspunkte zum Landleben her. Während es sich für die Schüler*innen dabei zumeist um vergnügliche Freizeiterfahrungen handelte, reagierten manche Personen aus der Großelterngeneration mit Erinnerungen an entbehrungsreiche Zeiten auf historische Fotografien und brachten kritischere Perspektiven auf die Vorstellung von der „guten alten Zeit“ ein.

Für die Wissenschaftler*innen ergab sich aus dieser Zusammenführung unterschiedlicher Sichtweisen und Erzählungen in den Intergenerativen Bildgesprächen in Kombination mit den Erfahrungen aus dem aktiv-reflexiven Bildgenerierungsprozess mit den Schüler*innen in den Fotoexpeditionen und Postkarten-Workshops ein vielseitiger und vielschichtiger Erkenntnisgewinn. Der bildungspolitische Impetus des Projekts realisierte sich dabei über die Auseinandersetzung mit einem offenen Heimatbegriff sowie der Erweiterung von Visual Literacies bei den Schulkindern und deren Familien. Der wissenschaftliche Gewinn resultierte aus der konkreten empirischen Bestandsaufnahme des so zeitgeistigen, aber oft auch vage besprochenen Phänomens der Landsehnsucht, welche über die inhaltliche als auch visuell-materielle Analyse differenziert gefasst werden konnte.

 

Team:

Martina Fineder, Paul Reiter (Akademie der bildenden Künste Wien)
Luise Reitstätter, Mark Elias Napadenski (Universität Wien)
Herbert Justnik, Astrid Hammer, Katharina Zwerger-Peleska (Volkskundemuseum Wien)
Iris Ranzinger (Fotografie, digitale Bilder, Archive)

Projektlaufzeit & Projektpartner*innen:

Das Projekt „Stadt-Land-Kind“ war ein Projekt der Akademie der bildenden Künste Wien in Kooperation mit dem Labor für empirische Bildwissenschaft am Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien, dem Österreichischen Museum für Volkskunde, dem Werkraum Bregenzerwald, der VS Rastenfeld, der NMS Kals am Großglockner und der Werkraumschule Bregenzerwald. Es lief von 1. September 2017 bis 31. Oktober 2019, durchgeführt wurde es im Rahmen des Förderprogramms Sparkling Science, gefördert vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung.

 CReA Logo logo akademie der bildenden kAnste wien  logo vkm  logo de 72dpi rgb sparkling science 
Publiziert in Projektarchiv
(C) Projektteam Gesichter der Migration
Mittwoch, 22 August 2018

Gesichter der Migration

Dieses Projekt lief vom 01.07.2017 bis zum 31.12.2019. Das dabei entstandene Themenheft können Sie am Ende dieser Seite herunterladen. Außerdem werden ab sofort Druckexemplare für Schulklassen kostenlos zur Verfügung gestellt (solange der Vorrat reicht). Bitte wenden Sie sich an die Projektleiter, wenn Sie diese für den Unterricht nutzen möchten.

Gesichter der Migration. Jugendliche aus Tirol erforschen gemeinsam ihre familiale Migrationsgeschichte

Sozialhistorische Studien haben vielfach belegt, dass Migrationen seit jeher zur menschlichen Existenz gehören. Wenn Migrationsbewegungen so alt sind wie die Menschheit selbst, kann die Weltgeschichte als Mobilitätsgeschichte gelesen werden. In der heutigen Zeit sind weltweite Bezüge zur Alltagsnormalität geworden – ob wir einkaufen, in einem Restaurant essen, fernsehen, ins Kino gehen, einen bestimmten Lebensstil pflegen oder politisch handeln. Die Alltagssituationen, in denen wir uns bewegen, in denen wir handeln, unsere Biografien und familialen Bezüge konstruieren, sind also in vielfältiger Weise in Ereignisse involviert, die nicht ausschließlich lokal definierbar sind, auch wenn sie sich lokalspezifisch manifestieren.

Vor diesem Hintergrund erforschen Jugendliche aus Tirol gemeinsam mit ihren (Groß)Eltern, Lehrer*innen und Freund*innen ihre familialen Migrationsgeschichten und suchen nach Spuren der Mobilität in ihrer Umgebung. Sie erfahren dabei eine breite Unterstützung aus dem universitären und zivilgesellschaftlichen Bereich. Zum aktiven Netzwerk des Projektes, welches am Institut für Erziehungswissenschaft im Lehr- und Forschungsbereich Migration und Bildung angesiedelt ist, gehören: 

  • Zentrum für Migrant*innen in Tirol (ZeMit)

Ebenso beteiligen sich Bürger*innen aus den Tiroler Forschungsgebieten Innsbruck/Pradl und Fulpmes und schreiben Berichte zur Migrationsgeschichte ihres Wohngebietes oder stellen projektrelevante Dokumente zur Verfügung (z. B. Gegenstände der Migration). 

Migrationserfahrungen der eigenen Familie erforschen

Warum nicht einmal den Blick auf die eigene Familiengeschichte richten? Man kann von familialen Migrationserfahrungen sprechen, wenn beispielsweise ein Onkel beruflich nach Kanada ausgewandert ist, oder wenn die Großeltern durch Binnenmigration aus der Hauptstadt nach Tirol gekommen sind. Unsere Erfahrungsräume sind von weltweiter Reichweite. Auf diese Weise werden mehrere Zugehörigkeiten möglich und dazu gibt es die unterschiedlichsten Beispiele aus dem mehrheimischen Alltagsleben:   

Eine Schülerin aus Tirol trifft sich mit ihrer besten Freundin – per Skype und über Ländergrenzen hinweg. Ein Universitätsassistent pendelt jede Woche zwischen Wohn- und Arbeitsort. Unter der Woche arbeitet er in Wien, am Wochenende verbringt er die Zeit mit seiner Familie in Innsbruck. Die Autofahrt von Tirol nach Serbien ist lang, vor allem dann, wenn die Kinder voller Vorfreude auf Omas Baklava sind. Ein Jugendlicher taucht täglich in mehrere Sprachen ein: mit der Schwester redet er Deutsch, mit der Mama Kurdisch und mit dem besten Freund Dialekt.

In dem Forschungsprojekt sind die Jugendlichen Expert*innen ihrer Lebenspraxis und gestalten den gesamten Forschungsprozess aktiv mit: Sie entwickeln ihre eigenen Forschungsfragen, die sie dann mit Hilfe offener Interviews mit ihren Eltern und Verwandten beantworten. Darüber hinaus suchen die Jugendlichen mittels ethnografischer Feldforschung nach Spuren von Migration in ihrer näheren Umgebung und im Stadtteil.

Was bedeuten familiäre Migrationsgeschichten für mich?

Aus wissenschaftlicher Sicht wird danach gefragt, wie Migrationserfahrungen in den einzelnen Familien wahrgenommen und bewertet werden und ob über Migration ein Wissen bzw. Bewusstsein vorhanden ist. Im Projektunterricht an den Schulen helfen dabei u. a. mitgebrachte Gegenstände der Migration.

Abstrakte Zeichnung "Azras Schüssel"

Gegenstand der Migration: Azras Schüssel

Auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse über die familialen und ortbezogenen Migrationsgeschichte organisieren die Jugendlichen eine Abschlussveranstaltung in Innsbruck. Darüber hinaus fließen die Forschungsergebnisse in ein Online-Heft ein, welches sich primär an Schulen und an die allgemeine Öffentlichkeit richtet. Mit diesem Projekt wird somit einerseits ein wichtiger Beitrag zur Erforschung von familialen Migrations- und Stadtgeschichten geleistet werden. Andererseits sollen die Erkenntnisse des Projektes dazu dienen, ein anderes Bewusstsein über Migration und Diversität vor Ort zu schaffen.

Aktuelle Informationen und Ankündigungen finden Sie auf dem Projektblog (21.08.2018)

Bildergalerie:

(Für Vergrößerung bitte auf ein Foto klicken)

Projektleiter:

Prof. Dr. Erol Yildiz & Ass.-Prof. Dr. Marc Hill (Forschungs-Bildungs-Kooperationen), beide Universität Innsbruck, Institut für Erziehungswissenschaft/Migration und Bildung

Kontakt: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!; Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Wissenschaftliche Projektmitarbeiterinnen: Mag. Miriam Hill, Anita Rotter MA

Studentischer Mitarbeiter: Alexander Böttcher, BA

Projektblog

Projektpartner

Wissenschaftliche Kooperationspartner:

Partner aus der Zivilgesellschaft, Kunst, Kultur und Politik

Beteiligte Schulen:

  • NMS Vorderes Stubai, Fulpmes (Direktion: OSR Josef Wetzinger)
  • UNESCO NMS Gabelsberger, Pradl/Innsbruck (Direktion: Brigitte Winkler-Greimel, MEd BEd)

Projektlaufzeit:

  • 01.07.2017 – 30.06.2019

Fördergeber:

Sparkling Science/BMBWF

Projektpräsentation

Publiziert in Projektarchiv
(C) Projektteam SMiLE
Dienstag, 07 August 2018

SMiLE

SMiLE – Scheidung mit Illustrationen erforschen

Was denken Kinder über Scheidung und Trennung? Wie werden kindliche Konzepte über elterliche Trennung von Volksschulkindern kommuniziert und diskutiert? Wie kann die didaktische Methodik der Concept Cartoons für Forschungen mit Kindern weiterentwickelt werden?

Im SMiLE-Projekt wollten wir erfahren, was Kinder über elterliche Trennung und Scheidung wissen und was sie sich denken, auch wenn sie nicht selbst davon betroffen sind.

Mit Hilfe von Concept Cartoons, eine didaktische Methode, die erstmals als innovativer, partizipativer Forschungsansatz angewandt wurde, diskutierten wir gemeinsam mit 8- bis 10-jährigen Kindern in 4 Volksschulklassen über elterliche Trennung. Diese Cartoons wurden partizipativ für das SMiLE-Projekt entwickelt.

Außerdem wurden Informations- und Unterrichtsmaterialien gemeinsam mit den 60 beteiligten Kindern und Citizen Scientists (Lehrpersonen, Eltern) entworfen.

Auf Basis der Ergebnisse wurde die Broschüre für Kinder „Wenn Eltern sich trennen“ gestaltet und über 17.000 Stück in ganz Österreich an Bezirksgerichten, in Schulen und Beratungsstellen verteilt. Außerdem entstanden im Sparkling Science Projekt Unterrichts- und Projektmaterialien zum Thema Trennung und Scheidung. Broschüre und Materialien sind als kostenloser Download über die Projekthomepage (https://smile.univie.ac.at/) verfügbar.

Herzlichen Dank an alle, die am Projekt mitgemacht haben!

Einen Blick hinter die Kulissen dieses Projektes bekommen Sie auch im Science Interview mit Eva mit Ulrike Zartler und Raphaela Kogler.

Team:

Assoz. Prof. Dr. Ulrike Zartler, PD          Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Mag. Raphaela Kogler, MA                    Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Lic. Marlies Zuccato-Doutlik, MA           Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein! 

Projektlaufzeit:

01.09.2017 – 31.08.2019

Fördergeber:

Sparkling Science / BMWFW

Projekthomepage:

http://smile.univie.ac.at/ und
http://sparklingscience.at/de/SMILE.html 

Bildergalerie

(für Vergrößerung bitte auf das jeweilige Foto klicken)

Publiziert in Projektarchiv
(C) Christian R. Vogl
Mittwoch, 25 Juli 2018

Homegrown

“Gärtner*innen forschen” - Es gibt nichts Schöneres als einen Hausgarten

Projektbeschreibung

Bäuerliche Hausgärten stellen mit ihrer Vielfalt an genutzten Pflanzenarten sowie dem damit verknüpften Erfahrungswissen der Bewirtschafter*innen einen integralen Bestandteil der Kulturlandschaft des Bezirkes Lienz in Osttirol dar. Gemeinsam mit Schüler*innen des BG/BRG Lienz (mit Professor*innen für Biologie, Mathematik/Physik und Englisch) untersuchen Wissenschaftler*innen in bäuerlichen Hausgärten u. a. das Pflanzenarteninventar und die Nutzung der Pflanzen. Diese Ergebnisse werden mit vor 20 Jahren durchgeführten Erhebungen in denselben Gärten verglichen und helfen Veränderungen der Gärten und ihrer Bewirtschaftung zu identifizieren. Diese diachronische Perspektive lässt einen präzisen und empirisch fundierten Blick auf die Veränderungen in bäuerlichen Hausgärten im ländlichen Raum eines Industrie- und Dienstleistungslandes, im Kontext demografischen und wirtschaftlichen Wandels sowie neuer Identitätssuche, zu.

Um ein besseres Verständnis über die lokale Wahrnehmung der Bedeutung von bäuerlichen Hausgärten zu erlangen, werden auch Beobachtungen der Gärtner*innen und deren Nachbar*innen über Ökosystemdienstleistungen der Gärten und deren Bedeutung erfasst.

Im Projekt werden auch Bewirtschaftungstechniken, die etwa zur Anpassung an Witterungsextreme oder der Sicherstellung einer nachhaltigen Bewirtschaftung dienen, erforscht. Ebenso erfasst wird, warum Menschen Gärten bewirtschaften und welche Werte und Einstellungen ihr Verhalten bzw. Handeln in den Gärten leiten.

Im Rahmen eines ergänzenden Citizen Science Moduls wird die lokale Bevölkerung von Osttirol und des Oberen Drautal eingebunden. Das Modul spricht Gärtner*innen an, die Interesse haben in ihren Gärten – nach methodischer Anleitung und in Begleitung in ihren Gärten – Erhebungen durchzuführen, die die materiellen und immateriellen Ökosystemdienstleistungen von Gärten sichtbar machen. Diese Gärtner*innen und die mitwirkenden Jugendlichen werden dafür in einfache quantitative und qualitative Erhebungsmethoden eingeschult. Dabei wird auf die – von Bildung und Erfahrung – abhängigen Möglichkeiten jedes/jeder einzelnen Mitwirkenden Rücksicht genommen.

Als Ausgangsbasis für die Entwicklung des analogen Erhebungsinstruments für die forschenden Gärtner*innen dient ein Universal T-Karten-Planer Office Planer (49 x 47,3 cm 7 Träger hellgrau) mit 20 Einsteckfeldern sowie 7 Steckbahnen. Das Steckkartensystem gibt die Wochentagstruktur (Montag bis Sonntag), die zeitliche Struktur (6:00 bis 22:00) sowie sechs verschiedene Variablen zur Erfassung der Ökosystemdienstleistungen vor.

Auf dem Universal T-Karten Planer erfassen die Gärtner*innen anhand der vorgegebenen Wochentags- und Zeitskala auf farblich verschiedenen Steckkarten schriftlich folgende spezifische Informationen zu den einzelnen ÖSDL während des Erhebungszeitraums:

  • Provisioning Services (Versorgungsleistungen), wie beispielsweise die Ernte von Gemüse und Früchten aus dem Hausgarten (Name der erntenden Person, Zeitpunkt bzw. -dauer, Namen der geernteten Gemüse bzw. Früchte, die geerntete Menge und jeweilige Verwendung).
  • Regulating Services (Regulierungsleistungen), wie beispielsweise Vögel, Insekten oder „Schädlinge“ im Hausgarten (Name der beobachtenden Person, Zeitpunkt bzw. -dauer, Name und Anzahl der beobachteten Vögel bzw. Insekten oder „Schädlinge“).
  • Cultural Services (kulturelle Leistungen), wie etwa Bewirtschaftungstechniken im Hausgarten (Name der bewirtschaftenden Person, Zeitpunkt bzw. -dauer, verwendete Werkzeuge, etc) oder Aktivitäten im Hausgarten als Erholungs- und Genussraum

Die im Garten verbrachte Zeitdauer wird mit einer einfachen Stoppuhr erfasst. Etwaiges Pflanzenmaterial wird mit einer einfachen, bereitgestellten Küchenwaage abgewogen. Der Steckkasten wird wettergeschützt an einem Ort angebracht oder aufgestellt, wo er im Blickfeld der Gärtner*innen ist. Dieser Ort wird vor Ort mit den Gärtner*innen festgestellt.

Die Dauer der Erhebungen anhand des Steckkartensystems wird mit zumindest einer Woche angesetzt und wird dann an eine andere Gärtnerin weitergegeben. Es werden sieben Steckkartensysteme bereitgestellt werden. Der Erhebungen laufen von 01. - 31.8.2018.

Durch die Mitarbeit der Citizen Scientists wird eine kontinuierliche Beobachtung und Aufzeichnung der lokalen Wahrnehmung (emischen Sicht) über die ÖSDL von Hausgärten gewährleistet. Die Methode wurde von einer Gärtnerin aus der Forschungsregion vorgeschlagen und gemeinsam mit Gärtner*innen aus der Forschungsregion diskutiert/überlegt. Die Citizen Scientists sind aktiv an der Datengewinnung bzw. -sammlung, sowie Datenanalyse und - interpretation sowie der Veröffentlichung der Ergebnisse im Projektbericht, wissenschaftlichen Publikationen und Konferenzen sowie in lokalen Medien (dolomitenstadt.at) beteiligt. Die erhobenen Daten werden laufend durch die wissenschaftliche Betreuungsperson dokumentiert und gespeichert. Zwischen- und Endergebnisse werden im Sinne einer wissenschaftlichen „give back“ Kultur im Rahmen einer Citizen Science Abschlussveranstaltung („Gartenfest“) an die beteiligten Gärtner*innen zurückgegeben.

Projektmitarbeiterinnen

Heidemarie Pirker

Brigitte Vogl-Lukasser

Partner*innen

BG/BRG Lienz (Renate Hölzl, Arno Oberegger, Hansjörg Schönfelder und die SchülerInnen der 6b (ab Schuljahr 2018/2019: 7b).

Marie-Luise Wohlmuth (Workshops zu Bodenbiologie)

Ramona Walder (Fotografie)

Peter Werlberger (Video)

Gerhard Pirkner (dolomitenstadt.at)

Germain Weber & Team (Fakultät für Psychologie, Universität Wien)

Christian Ragger (REVITAL - Integrative Naturraumplanung GmbH)

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Bildergalerie

(für Vergrößerung bitte auf das jeweilige Foto klicken)

Publiziert in Projektarchiv
(c) by Naturhistorische Museum Wien
Freitag, 20 Oktober 2017

Webtechniken

Archäologische Funde von Textilresten geben einen Einblick in alte Webtechniken, dazu gehören etwa die Gewebe aus dem Salzbergbau Hallstatt aus dem Zeitraum zwischen 1500 und 300 v. Chr., oder auch Funde von Goldfäden wie jenen von Ebreichsdorf in Niederösterreich, c 1100 v. Chr. Sie werden in der Prähistorischen Abteilung des Naturhistorischen Museums wissenschaftlich analysiert und nachgearbeitet, um die Herstellungstechnik und den Arbeitsaufwand zu verstehen. Vor allem die Brettchenwebereien und Gewebe mit Goldfadenverzierung sind hier Gegenstand der Forschung. Anleitungen zum Nacharbeiten von eisenzeitlichen Geweben aus Hallstatt wurden auf Pinterest und auf Instagram (#tableweavehallstatt, #archaeologicaltextileoftheday) gepostet. Hunderte Menschen beteiligten sich bereits mit eigenen Webvorschlägen, kreativen Umsetzungen, und auch Korrekturen zu den wissenschaftlich publizierten Webanleitungen. Daraus hat sich eine neue Forschungsfrage zur Herstellung der Bänder ergeben, die gemeinsam mit einer finnischen Weberin aus dieser Community erarbeitet und bei einer Konferenz präsentiert wurde (inkl. Publikation).

Wer kann mitmachen?

Personen, die an alten Webtechniken interessiert sind und selbst weben.
Im Projekt geht es auch um Reenactment und Do-it-Yourself!

Zeitraum

An dem Projekt kann jederzeit mitgemacht werden.

Wo und wie kann man mitmachen?

Geteilt werden können die Webereien auf der Pinterest-Wall zu Webtechniken sowie auf Instagram unter #tabletweavehallstatt und #archaeologicaltextileoftheday. Sie können eigene kreative Webobjekte anfertigen, inspiriert von den Textilien aus Hallstatt! Inspirationen holen und Ihre Webobjekte auf Pinterest oder Instagram teilen.  

 

Weitere Informationen zum Projekt gibt es außerdem in unserer Radiosendung "Wissen macht Leute" vom 16.1.2023: Hier können Sie die Sendung nachhören. 

 

Kontakt

Mag. Dr. Karina Grömer
Naturhistorisches Museum Wien
Prähistorische Abteilung
Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Weitere Infos: 

Grömer, K., Binder, M., Saunderson, K. & Unger, J. (2022, August 11). Die goldene Vergangenheit der Textilkunst. Standard-Wissenschaft (Archäologie). 

Publiziert in aktuelle Projekte
(c) by Topothek
Donnerstag, 03 November 2016

Topothek

Die wachsende Bilderflut kann von den Institutionen allein nicht aufgearbeitet werden. Die Partnerschaft mit „Citizen Scientists“ wird unerlässlich. Die Topothek ist das digitale Archiv und das Netzwerk, in dem dieses historische Erbe aufgefangen werden kann. Für die örtlich verankerten Topothekarinnen und Topothekare bedeutet jedes neue Bild und jede neue Information einen wertvollen Baustein, mit dem sie die regionale Geschichte detaillierter dokumentieren können. Die Begeisterung an der Arbeit erschafft mit den Topotheken lokale Archive, die eine Aufmerksamkeit erwecken, die weit über die regionale Interessenslage hinausreicht. Vom Requisiteur und der Kostümbildnerin eines historischen Films bis hin zur Wissenschaft, die die Verbreitung einer Rinderrasse in den 1930er-Jahren nachvollziehen kann. Und schon oft hat ein jemand den eigenen Urgroßvater auf Fotos gefunden, die von einer bisher unbekannten Person zur Verfügung gestellt wurden.

Die Umsetzung

Eine Topothek wird von einer Gemeinde oder einem Verein betrieben. In Namen der Gemeinde arbeiten die ehrenamtlichen Topothekarinnen und Topothekare, die digitalen Archivare, als Bindeglied zur Bevölkerung. Die Bedienung einer Topothek ist einfach und die Eingabefelder der Administrationsoberfläche entsprechen dem internationalen Archiv-Standard. Bevor mit der Einpflege begonnen wird, werden die Topothekarinnen und Topothekare seitens ICARUS in einer etwa zweistündigen Schulung in das System eingeführt. Die Eröffnung einer Topothek erfolgt zumeist mit einer örtlich organisierten Veranstaltung, die der interessierten Bevölkerung die Topothek als digitale Auffangmöglichkeit für Zeitdokumente vorstellt. Oft profitieren die örtlichen Museen oder das Gemeindearchiv von der Topothek, indem Originale an sie übergeben werden. Ebenso können die Gedächtnisinstitutionen eine Topothek als Plattform für ihre eigenen Bestände nutzen.

Der Dialog zählt

Eine Topothek generiert neue Nutzer*innengruppen. Eine Topothek beantwortet nicht die Frage nach der Geschichte der Burganlage, aber sie gibt schnelle Information zur Frage „Wie hat das Gasthaus in den 1960er-Jahren ausgesehen?“ oder „Gibt es Fotos vom alten Wirten?“. Impulsiv gestellte Fragen, die sich oft auf Details beziehen, können beantwortet werden. Es ist die Fragestellung einer neuen, oft jüngeren Nutzer*innenschicht. Um mit ihr in Konakt treten zu können, lassen sich in der Topothek Fragen stellen, die direkt über die Website beantwortet werden können. Denn der Dialog ist das Leben der Topothek.

Die Ausbreitung

Entstanden ist die Topothek in einem Büro in Wiener Neustadt. Ausgehend von der ersten Topothek „Prater“ wurden erste Gemeinden in Niederösterreich gewonnen, um mit den Ehrenamtlichen das private Material zur Gemeindegeschichte sichtbar zu machen. Auch in Oberösterreich wurde die Topothek gut angenommen und als Regionsprojekt im Rahmen von LEADER umgesetzt. Die LEADER-Regionen Weinviertel-Ost, Weinviertel Donauraum, Traunviertler Alpenvorland und Eferdingerland sowie weitere Regionen setzten Topotheken ein bzw. bereiteten den Einsatz der Topothek vor. Mit Kärnten, wo die Topothek als Landesprojekt gestartet wurde, kommt nun ein neues Bundesland dazu. Im Rahmen eines EU-Projekts „co:op“, dessen Thema die Vermittlungstätigkeit der Archive ist, wurde die Topothek in 7 weiteren Ländern umgesetzt. Über die internationale Plattform der Archive, ICARUS, wurde auch das NÖ Landesarchiv als wissenschaftlicher Partner zur Kooperation gewonnen. 

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