Science Interview mit Eva: Dr. Benjamin Missbach (c) Reden Sie mit

In dieser neuen Interviewserie blicken wir hinter die Kulissen und stellen die Personen hinter den einzelnen Citizen-Science-Projekten und ihre Motivation zu Forschen vor.

Die Interviewerin Eva Lirsch sprach mit Dr. Benjamin Missbach, der gemeinsam mit Dr. Lucia Malfent für das Projekt "Reden Sie mit!" verantwortlich ist. Den Einstieg in das Interview bildet ein Science Wordrap.

Mein Berufswunsch als Kind war:

Sportler, weil ich extrem viel Sport gemacht habe, ich habe 80 % meiner Freizeit am Sportplatz verbracht.

Wissenschaft ist für mich:

Erkenntnisgewinn.

Am spannendsten an meinem Fachgebiet finde ich:

.. die Interaktion mit unüblichen Wissensträgern. Das heißt, mit Leuten zu sprechen, die keinen wissenschaftlichen Hintergrund, aber aus einer praktischen Erfahrung heraus sehr viel Wissen haben.

Wenn ich eine Sache auf der Welt verändern könnte, würde ich:

Da sage ich jetzt nicht "Weltfrieden" (lacht). Bildung für alle!

Spaß an der Arbeit bedeutet für mich:

.. nicht auf die Uhr schauen.

Diese Personen finde ich am faszinierendsten:

Ich habe da eigentlich keine Vorbilder. Es ist nicht so, dass ich da jemandem hinterher eifern würde in meiner beruflichen Tätigkeit.

 

Persönlicher Hintergrund

Wann wusstest du, dass du Wissenschaftler werden willst?

Nachdem ich mit meiner Sportkarriere aufgehört habe. Ich habe früher leistungsmäßig Basketball gespielt, dann aber mit 18, 19 Jahren aufgehört, weil ich die Schule fertig machen wollte. Dann habe ich relativ schnell im Studium gemerkt, dass das Wissen, das mir da vermittelt wird, nicht alles sein kann, und dass ich gerne in einem spezifischen Bereich mehr wissen will. Da war für mich die Wissenschaft Nummer eins, um einen Erkenntnisgewinn zu haben.

Gab es da ein Schlüsselerlebnis?

Interessanterweise ja, da gab es eines. Ich hab mal am Flughafen in Hamburg mal eine populärwissenschaftlich aufgearbeitete Zeitschrift gelesen: "New Scientist". Da war ein Artikel drin, den ich ganz spannend gefunden habe, zum Thema Ernährungsverhalten. Im Prinzip hat mir das die Augen geöffnet und da ich wusste sofort, ich will zu dem Thema mehr wissen und hab dann auch in dem Bereich promoviert.

Was würdest du jemandem sagen, der sich überlegt, die Forschungslaufbahn einzuschlagen?

Ich glaube, dass sich die Forschung gerade sehr ändert in Bezug darauf, was einen Forscher ausmacht. Es gibt Disziplinen, die ganz bewusst davon wegkommen wollen, dass Forschung nur zum Selbstzweck gemacht wird. Es gibt sicher einige gesellschaftliche Probleme, die man mit der Einbindung von Leuten, die davon betroffen sind, ganz gut lösen kann. Ich denke mir, dass da eine neue Art von Forschern heranwachsen wird, auch in Bezug auf die Öffnung der Wissenschaft, Leute, die offen arbeiten, mit dem Gedanken, Forschung zu teilen und das über Landesgrenzen hinaus, um gesellschaftliche Probleme zu lösen.

Wie bist du zum ersten Mal mit Citizen Science in Berührung gekommen, war das im Zuge dieses Projektes oder schon vorher?

Ich beschäftige mich noch nicht so lange mit Citizen Science Projekten. Am Anfang war mir das ein bisschen fremd, aber mittlerweile habe ich sehr viele unterschiedliche Projekte gesehen, die qualitativ immer besser werden und sich inhaltlich sehr unterscheiden. Ich glaube, dass Citizen Science-Projekte einen Teil dazu beitragen können, dass die Hürde zur Wissenschaft niedriger wird und dass die Leute ein anderes Bild von Forschung haben. So kann jeder zum Forscher werden.

Würdest du sagen, dass die Zukunft der Forschung in der Einbindung der Bevölkerung liegt?

Das hängt vom jeweiligen Selbstverständnis der Wissenschaftsdisziplin ab. Wenn du mit einem Quantenphysiker sprichst, wird der wahrscheinlich sagen, das ist überhaupt nicht so. Aber es gibt gewisse Felder, wo wir glauben, dass Mehrwert geschaffen, und gleichzeitig auch die Transparenz der Forschung und die Akzeptanz gefördert werden kann. Ein einfaches Beispiel ist derzeit das Projekt "Reden Sie mit!". Wir binden die Bevölkerung von Anfang an ein in den Forschungsprozess, und zwar in das Schwierigste, nämlich die Ideengenerierung. Die Leute gehen auf unsere Plattform und geben dort Forschungsfragen zum Thema „Unfallverletzungen“ ein. Wenn wir dann die Forschungsfragen haben, sagen wir, gut, wir haben die wissenschaftlichen Methoden, diese Ideen zu beantworten, dazu müssen wir die vorhandenen Methoden verwenden. Das heißt, es startet dann ein Dialog zwischen Gesellschaft und der Forschung. Dadurch öffnen wir uns und arbeiten viel transparenter.

Was sind denn die Ziele des Projektes „Reden Sie mit“?

Ziel ist es, Bewusstsein für das Thema „Unfallverletzungen“ zu schaffen, neue Forschungsfragen zu generieren als auch das Bekanntmachen der Ludwig Boltzmann-Gesellschaft. Wir möchten außerdem vermitteln, dass wir für Öffnung und Innovation stehen.

Was ist die größte Herausforderung bei diesem Projekt?

Wir haben die schwierige Kommunikationsaufgabe, gleichzeitig Experten und  -innen anzusprechen, den Physiotherapeuten, Arzt in der Klinik, als auch Patienten. Wir haben gelernt, dass es keinen Sinn macht, quasi eine Krankenschwester genauso anzusprechen wie einen Unfallchirurgen oder einen Patienten. Das heißt, das Timing und der Inhalt muss entsprechend adaptiert werden. Wir haben das so gelöst, dass wir sagen, es gibt unterschiedliche Phasen und in jeder Phase werden unterschiedliche Dinge kommuniziert.

Wie erreicht ihr die Leute?

Es gibt eine Landing Page [Anmerkung der Redaktion: eine Webseite, die speziell für diese Kampagne entwickelt wurde]. Dort können sich Interessierte in den Newsletter eintragen. Wenn man mehr wissen will, dann kriegt man da Informationen. Das ist der erste Schritt.

Und wie bringt ihr die Leute auf die Landing Page?

Old school, mit den Leuten reden. Wir machen sehr viel online, aber man darf den offline-Kontext nicht unterschätzen, wenn es darum geht, eine kognitive Leistung zu vollbringen, nämlich eine Forschungsfrage einzureichen. Da tauchen viele Fragen auf: Was ist Forschung, wie formuliere ich eine Frage? Habe ich eine passende Frage zu dem Thema? Das ist nicht einfach, und daher muss man Leuten auch erklären, was da zu tun ist. Am 8. Mai ist das Ganze losgegangen. Wir waren einerseits in traditionellen Medien wie ORF 1 Abendjournal und ORF Science vertreten. Darüber hinaus gab es Email-Aussendungen an Hunderte von Leuten innerhalb und außerhalb der Ludwig Boltzmann-Gesellschaft. Auch die Zielgruppenkommunikation über Social Media spielte eine wesentliche Rolle. Sehr viel Feedback bekommen wir auch über die verschiedenen Citizen Science Plattformen aus Österreich, der Schweiz, Belgien, Deutschland, Amerika und Australien.

Ihr seid ja international ausgerichtet mit diesem Projekt.

Genau. Wir haben einen Fokus auf den deutschsprachigen Raum, Portugal und Skandinavien. Wir wollen gerade auch Skandinavien abdecken, weil wir erfahren haben, dass die im Bereich Unfallverletzungen sehr innovativ arbeiten. Dort ist die Kooperation zwischen den Therapeuten und Ärzten sehr eng. In Portugal wiederum haben wir einen super Kooperationspartner namens „Patient Innovation“, der sehr viel in den Kliniken unterwegs ist. Der arbeitet daran, Patienteninnovationen zur Marktreife zu bringen. Wenn jemand ein Problem erkennt und eine Idee zur Verbesserung hat, wird er von „Patient Innovation“ beraten, denn von der Idee bis zum marktreifen Produkt ist ein langer Weg.

Was war das schönste Erlebnis bis jetzt?

Das schönste Erlebnis war, als ich an das Unfallkrankenhaus Klagenfurt gefahren bin und mich mit einer Ergotherapeutin getroffen habe. Die war froh, dass endlich jemand kommt. Sie hat nämlich durch ihre praktische Erfahrung so viele Beobachtungen gemacht und Ideen gesammelt, dass sie das toll findet, wenn das jemand aufnimmt. Es gibt viele, die wir ansprechen wollen, etwa Pflegepersonal, das in ihrer praktischen Arbeit sehr viel sieht, von der Diagnose, Behandlung bis zur Rehabilitation. Bei diesen drei Schritten gibt es so viele Personen, mit denen die Verletzten der Reihe nach zu tun haben. Unsere Überlegung ist, dass sehr viel Wissen aus der Arbeit am Patienten generiert wird, dass diese Praxiserfahrung aber kaum in die Forschung zurückfließt.

Wie lange ist das Projekt insgesamt geplant?

Acht Wochen ist die Plattform online, bis 3. Juli. Bis Ende des Jahres wollen wir dann die Forschungsfragen haben. Anfang 2020 soll es die ersten Projektgruppen geben.

Nach welchen Kriterien werden die Projekte ausgewählt?

Es handelt sich um einen ergebnisoffenen Prozess. Wenn die Ideensammlung der Forschungsfragen abgeschlossen ist, schauen wir uns die durch, und kategorisieren sie nach Themen. Weil eine Verwertungsstrategie ist, dass wir die Forschungsfragen wieder zur Verfügung stellen. Das heißt, wir geben sie auf eine Online-Plattform und sagen, schaut her, wir haben diese unterschiedlichen Themen und Forschungsfragen und freuen uns darüber, wenn sie jemand da draußen aufnimmt. Die Forschungsfragen lassen wir dann nochmals evaluieren, einerseits von Experten im Bereich Unfallverletzungen, und andererseits von der Bevölkerung. Wir wollen Rankings machen lassen, welche Themengebiete besonders wichtig für Nicht-Wissenschaftler und welche aus Expertensicht relevant sind. Die Frage ist, wie weit überschneidet sich das? Es muss ein Thema sein, das für die Bevölkerung wichtig und gleichzeitig wissenschaftlich relevant ist. Wir suchen uns dann zwei Themenbereiche aus, die wir näher beforschen wollen.

Was können Interessierte lernen bei der Teilnahme an diesem Projekt?

Wir bieten den Leuten, die da mitmachen, an, diese in die Forschung miteinzubinden, wenn ihre Frage aufgegriffen wird. Wir wollen zeigen, dass wir auch etwas zurückgeben. Das Projekt „Reden Sie mit!“ ist keine Einbahnstraße.

Wie kann ich mitmachen?

Wenn du eine Forschungsfrage hast, gehe online auf www.tell-us.online/de und gib deine Frage dort ein. Mitmachen ist noch bis 3. Juli 2018 möglich. Das Mindestalter für die Teilnahme beträgt 18 Jahre.

 

Kontakt: Dr. Benjamin Missbach
Projekt Manager
LBG Open Innovation in Science
Telefon: 
+43 660 6136430
E-Mail: 
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